Alternative Lebensmittelnetzwerke wie die verschiedenen Formen solidarischer Landwirtschaft (CSA) oder Foodcoops haben sehr oft das Ziel aus der vorherrschenden kapitalistischen Logik von Markt, Preis, Wachstum und Vereinzelung auszubrechen. Zentral ist dabei, dass Menschen verschiedene Formen der Subsistenz wieder entdecken, indem sie sich selbstermächtigend zusammenschließen um ein Problem ihres Alltags zu lösen. Nämlich wo ihr Essen herkommt.
Doch regionale, hochwertige Lebensmittel sind auch Produkte mit einer nicht zu unterschätzenden Gewinnspanne, und somit auch im Fokus des internationalen Venture Capital. Als The Food Assembly/La Ruche Qui dit Oui in hippe Startup-Form gegossen macht es sich daran die Welt der solidarischen Lebensmittelnetzwerke endlich mit einem Preiszettel zu versehen und in hierarchische, finanzialisierbare Strukturen zu drängen.
Was bei dieser Inwertsetzung fast schon naturgemäß zuerst verloren geht sind die zentralen Werte unserer emanzipatorischen Bewegung. Keine Rede ist mehr davon, dass sich die Grenzen zwischen Konsument*innen, Dienstleister*innen und Produzent*innen auflösen könnten. Stattdessen muss ein fixer Anteil des Umsatzes an die Betreiber*in des “Assemblies” und die internationale Zentrale abgeliefert werden. Daraus ergeben sich mehrere Probleme:
Eine entmächtigende Hierarchie
Die Konsument*innen bleiben in ihrer bequemen passiven Rolle und sollen bitte auch dort bleiben. Sie zahlen immer hin 8,35% des Warenpreises an das Assembly, das somit zur reinen Dienstleistung verkommt. Sie zahlen und wollen dafür auch etwas geboten bekommen, ohne Anreiz selbst aktiv zu werden. Somit ist jegliches transformative Potential im Keim erstickt.
Eine entmächtigende Zentralisierung
Die für den Betrieb kritische Infrastruktur des Assemblies, der Kommunikationskanal zwischen Konsument*innen und Produzent*ìnnen, wird von einem internationalen gewinnorientierten Unternehmen bereit gestellt. Wie schon einige andere Branchen gezeigt haben, ist genau dies die hoch skalierbare Schnittstelle zu ungeahnten Umsätzen. Konsument*innen haben zudem keinen Grund sich irgendwelche Gedanken über die Weiterentwicklung ihrer Beziehung zu den Produzent*innen zu machen, wird dieser Kommunikationskanal doch mit weiteren 8,35% des Warenpreises als Dienstleistung zugekauft und wird auch als Quell allen Gewinns keinesfalls aus der Hand gegeben.
Gleichzeitig bedeutet gerade die Fremd-Organisation der Beziehung zwischen Konsument*innen und Produzent*innen, dass fest gefahrene Denkweisen niemals aufgebrochen sondern beibehalten werden.
Eine entmächtigende Bürokratie
Mit fixen Abgaben, die über den Warenpreis entrichtet werden, geht natürlich auch eine exakte Abrechnung einher. Doch gerade diese erschwert die Umsetzung der transformativen Aspekte von solidarischen Lebensmittelnetzwerken. Eine exakte Abrechnung bedeutet immer auch Kontrolle und dieser Aufwand muss mit den 16,7% des Warenpreises ermöglicht werden, und sie fördert und ermöglicht Wachstum. Kontrolle und Wachstumsfokus erschweren oder verhindern selbstorganisation, solidarisches Handeln und das in Frage Stellen der kollektiven mentalen Infrastrukturen unserer Gesellschaft.
Natürlich ist es bei weitem nicht so, dass alle alternativen Lebensmittelnetzwerke in jedem Aspekt transformativ, ermächtigend und solidarisch sind. Aber gerade in unserer Ambivalenz liegt unsere Subversivität. Gemeinsam mit unseren Freund*innen werfen wir täglich Blicke in eine positive Zukunft, ohne dabei den Kontakt zum Hier und Jetzt zu verlieren.
Dieser Beitrag erschien zuerst im Newsletter für Solidarische Landwirtschaft in der Ausgabe Herbst 2015.