„Zurück zum Ursprung“, die Bio-Eigenmarke vom Diskonter Hofer, will sich das positive Image von Ernährungssouveränität zu Nutze machen. „57% besser bei Ernährungssouveränität“ steht seit Neustem auf ihren Milchpackungen. Doch mit Ernährungssouveränität hat diese ökologische Aufhübschung nichts zu tun.

In einer Aktion am Nyéléni-Frühjahrstreffen ist dazu ein Video entstanden.

Mosaik-Blog: Fünf Gründe warum man Ernährungssouveränität nicht bei Hofer kaufen kann, von Julianna Fehlinger und Lisa Rail

Uns KonsumentInnen wird in der Werbung und durch die Politik täglich erklärt, dass wir die Welt retten können, wenn wir im Supermarktregal zu „Bio“ statt „Billig“ greifen. Und viele Menschen wollen gutes Essen aus regionaler, kleinbäuerlicher Landwirtschaft. Dass Hofer jetzt auf „Ernährungssouveränität“ setzt, zeigt aber: Die großen Handelsketten missbrauchen diesen Wunsch für ihre Zwecke.

1. Ernährungssouveränität bedeutet demokratische Mitbestimmung

Ernährungssouveränität bedeutet demokratische Mitbestimmung am Nahrungsmittelsystem und das „Recht […] auf gesunde und kulturell angepasste Nahrung, nachhaltig und unter Achtung der Umwelt hergestellt“. So steht es in der Erklärung von Nyéléni. 2007 hielten Delegierte aus aller Welt in dem malischen Dorf fest, was Ernährungssouveränität für sie bedeutet.

Ernährungssouveränität heißt, dass Bäuerinnen und Bauern gemeinsam mit KonsumentInnen darüber entscheiden, wie Lebensmittel produziert werden. Dahinter steht die Vision einer vielfältigen, kleinteiligen und global gerechten Landwirtschaft, in der die herstellenden, verarbeitenden und essenden Menschen gemeinsam entscheiden – nicht die Märkte und Profitinteressen transnationaler Konzerne.

Wenn eine Supermarktkette wie Hofer sich dieses Konzept zu eigen macht, hat das nichts mehr damit zu tun.

2. Supermärkte sind Türsteher für unsere Lebensmittel

Lange hieß es, die Nahrungsmittelindustrie werde von Konzernen wie Nestlé und Unilever dominiert. Das hat sich geändert. Die Führungsrolle ist inzwischen auf die Supermärkte übergegangen. Das liegt an der enormen Konzentration und Expansion der größten Handelsketten. Rewe, Spar und Hofer kontrollieren zu dritt mehr als 87% des Lebensmittelmarktes in Österreich. Sie bestimmen darüber, was, wo und wie produziert und konsumiert wird.

Die Wahlfreiheit von uns KonsumentInnen gerät da schnell an Grenzen.  Das oft angeführte Argument, individuelles Kaufverhalten bestimme die Zukunft der Landwirtschaft mit, verkennt schlichtweg das Ausmaß an Zentralisierung unter den Handelsketten und der Industrie.

Wenig besser steht es um den Verarbeitungssektor: 97 Prozent der Frischmilch wird von Raiffeisen-Molkereienabgefüllt, die Raiffeisen Mühlen sind Marktführer in Europa und die Agrana (Raiffeisen) gar Weltmarktführer bei Fruchtzubereitungen. Bauern und Bäuerinnen haben in diesem System praktisch nichts mitzureden.

3. Zurück zum Ursprung – das neueste Greenwashing

Zurück zu unserem Ursprungs-Beispiel. Ernährungssouveränität ist darin einer der Indikatoren des Bewertungssystems „Kreislaufs des Lebens“, das WissenschaftlerInnen von Forschungsinsitut für biologischen Landbau (FiBL) erarbeitet haben. 58 Indikatoren werden auf ein einzelnes Milchpackerl heruntergebrochen. Die Prozentangabe gibt ein „mehr“ im Vergleich zu einer „konventionellen Ware“ an. Zur Beschreibung des Indikators wird die Deklaration von Nyéléni sogar direkt zitiert.

57 Prozent mehr Ernährungssouveränität erreicht die Kitzbüheler Heumilch nach eigenen Angaben. Der Wert entsteht, weil teilweise seltene Kuhrassen gehalten werden und Futtermittel aus Österreich zum Einsatz kommen und nicht gentechnisch veränderte aus dem globalen Süden. Eine Selbstverständlichkeit für kleinere Milchviehbetriebe in unserem Land.

57 Prozent besseres Gefühl im Supermarkt.

Damit ist die „Ernährungssouveränität“ auf der Hofer-Milchpackung das jüngste Beispiel für „Greenwashing“: Begriffe zurechtbiegen, Struktur- und Machtfragen niederrechnen, unangenehme Fragen rausrechnen und dann alles auf eine Ware runterbrechen. Das ergibt 57 Prozent mehr gutes Gefühl für KonsumentInnen. Für die Bauern und Bäuerinnen bleibt dabei nicht viel übrig.

4. Bio-Sektor in der Hand von drei Großen

Wer die Marke kontrolliert, hat auch das Vertrauen der KundInnen in der Hand – besonders im Bio Sektor. Daher streiten sich Supermarktketten und große Molkereien um die Öko-Labels. Die Eigenmarkten „Ja! Natürlich“, „Spar Natur Pur“ und „Zurück zum Ursprung“ haben dieses Rennen für sich entschieden. Damit sind sie es, die Produktionsbedingungen und Preise bestimmen können. Die billigste Molkerei erhält den Zuschlag. Bio kaufen bedeutet längst nicht mehr, Geld für eine kleinbäuerliche Landwirtschaft auszugeben und ist auch kein Garant für gerechte Arbeitsbedingungen.

Bio im Supermarkt hat vielen KonsumentInnen einen einfachen Zugang zu Bio-Produkten ermöglicht, Bio-Betriebe und KonsumentInnen aber der Macht der verarbeitenden Industrie und Supermarktketten ausgeliefert. Netzwerke zwischen KonsumentInnen und ProduzentInnen wurden dadurch geschwächt. Eigene Bio-Marken zu etablieren ist für Bäuerinnen und Bauern, kleinere Molkereien, Mühlen oder andere Verarbeiter nahezu unmöglich geworden.

Aufklärung ist Handarbeit: Ernährungssouveränität gibt’s nicht an der Supermarktkassa

Die Supermärkte wissen ihre Macht zu nutzen. Die Bedingungen, unter denen an Supermärkte geliefert wird, sind schockierend. Kurzfristige Stornierungen, einseitige oder rückwirkende Vertragsänderungen und Ausfall der Bezahlung für nicht verkaufte Ware sowie weitere „unlautere Handelspraktiken“ sind Alltag. Sie sollen nach einem neuen Vorschlag der EU Kommission verboten werden. Das eigentliche Problem, die Konzentration der Supermärkte und die Marktmacht durch Eigenmarken, wird jedoch nicht angegangen.

Auch die große Machtkonzentration im Verarbeitungssektor, ignoriert der vorgelegte Vorschlag. Dabei gehören unfaire Lieferverträge mit den Bauern und Bäuerinnen auch zum alltäglichen Geschäft der großen Molkereien. Das deutsche Bundeskartellamt hat dies in ihrem Urteil 2017 bestätigt. Die Prüfung der Lieferbedingungen wäre auch in Österreich dringend nötig. Die Bundeswettbewerbsbehörde hat diese jedoch trotz Beschwerde abgelehnt.

5. Mit der vorherrschenden Kritik werden Mächtige geschützt

Österreichs „Nachhaltigkeitsministerin“ Köstinger begrüßt diesen unzureichenden Vorschlag der Kommission – und versucht sogar, ihn noch weiter aufzuweichen. Sie will auch die großen Verarbeiter und Molkereien schützen, anstatt Handelsketten und verarbeitender Industrie kartellrechtlich zu prüfen.

Geht es nach dem österreichischen Bauernbund, sind alleine die Handelsketten und deren Eigenmarken für die niedrigen Preise und das Höfesterben verantwortlich. Doch über die Praktiken des Verarbeitungsriesen Raiffeisen wird geschwiegen.

Liest man das Kleingedruckte auf der Milchpackung, setzt sich das Milch-Puzzle Österreichs zusammen: es ist die Berglandmilch, die größte Molkerei Österreichs, die „Zurück zum Ursprung“ abfüllt. Ausgerechnet jene Molkerei, die einigen Bio-Bauern und -Bäuerinnen bis heute keinen Bio-Preis zahlt, weil sie sich gegen die Machtstrukturen gewehrt haben. Ihnen wird man nur schwer erklären können, warum Zurück zum Ursprung besser bei Ernährungssouveränität sein soll. Statt wissen, wo’s herkommt müssen wir wissen, wer’s gemacht hat – und vor allem, wer dran verdient hat.

Julianna Fehlinger und Lisa Rail sind bei der Nyéléni-Bewegung aktiv. Warum man Ernährungssouveränität nicht bei Hofer kaufen kann, erklären sie auch in diesem Video.

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